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Der Berggeist

Kaum spürbar thronen die stillen und erhabenen Riesen links und rechts oberhalb der Talrinne und versorgen diese aus ihrem Speicher heraus mit ihrem reinen und kostbaren Lebenswasser. Dieser wilde Bergfluss strömt wie eine vernarbte Schweissnaht durch das Tal und verleiht diesem Leben und ein Gesicht.

Im Frühling, wenn diese unscheinbaren Lebensspender die Last des Winters von ihrem Buckel abschütteln und für einen kurzen Moment das Donnern einer Lawine ihre anmutende Stille, welche sie sonst umgibt durchbricht, dürfen wir deren innewohnende Kraft mit Staunen erahnen und selber für einen kurzen Moment ebenso Still werden. Wie auch an heissen Tagen, wenn sie ihren Leib strecken um das ihnen scheinbar drüssig gewordene Antlitz in Form von Schutt- und Steinstürzen unter lautem Getöse zu erneuern. Es mutet fast schon paradox an, als ob der Berggeist uns mit diesem lauten Krach zurufen möchte, um uns sein eigenes jedoch stilles Geheimnis zu offenbaren.

Denn die äussere Höhe der Berge ist nicht seine eigentliche Grösse. Es ist vielmehr der ihm innewohnende Berggeist der es vermag Stürme, Nebel und Finsternis mit dem selben Gleichmut zu begegnen wie den lichten und wärmenden Sonnenstrahlen. Entgegen uns Menschen fehlt es den Bergen an der Möglichkeit ihre Umgebung zu verlassen und so von den Widrigkeiten des Lebens zu fliehen. An diesem vermeintlichen Nachteil durften die Berge wachsen und so ihre eigentliche Grösse im Innen formen. So fest im Boden verwurzelt ragen sie hoch in den Himmel empor ohne nach den Sternen greifen zu wollen.

Wer dies auch vermag, wiegt sich wie die Bergwelt im Himmelreich. Aber Vorsicht, beim Streben nach diesem ist schon manch einer gestürzt weil es ihm entgegen der Berge an Bodenständigkeit mangelte. Möge uns der Berggeist innerlich berühren und uns an der Hand nehmend den Weg zu einem vom Aussen unabhängigen Gipfelerlebnis weisen.

 

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